Home-Schooling in der Corona-Krise: erste Bilanz
Seitdem Schulen wegen der Corona Pandemie geschlossen sind, versuchen LehrerInnen, den ausfallenden Unterricht in der Schule mit Übungsaufgaben und virtuellem Unterricht zu ersetzen. Die Gefahr: Das zur Verfügung gestellte Online-Übungsmaterial übersteigt die Kräfte von SchülerInnen und Eltern.
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Die richtige Balance: genügend Unterrichtsmaterial vs. Überforderung
Es ist eine Herausforderung für alle. PädagogInnen, Eltern und SchülerInnen. Sie alle müssen jetzt auf einmal ganz anders unterrichten, anders ihren Alltag organisieren und auch anders lernen. Kommuniziert wird nicht mehr im Klassenzimmer oder durch das Mitteilungsheft, sondern via Skype, Mail, Google Meet oder die Klassenpinnwand. Es ist beeindruckend, wie gut der Austausch zwischen Lehrkräften, Eltern und SchülerInnen funktioniert, ist man sich einig. Die erste Home-Schooling Bilanz vieler SchülerInnen und Lehrkräfte ist deshalb durchwegs positiv, dennoch gibt es auch einige Probleme und Herausforderungen, die der digitale Unterricht zu Hause mit sich bringt:
"Nicht in Präsenzzeiten denken: Distance Learning ist weitaus komplexer!"
Eine große Herausforderung in der derzeitigen Situation ist laut ExpertInnen das Finden einer Balance. Lehrkräfte sollen einerseits genügend Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellen, damit Lernziele trotz der Corona-Krise auch erreicht werden können, andererseits soll die Fülle an Übungsmaterialien SchülerInnen wie Eltern nicht überfordern. „Das Grundprinzip lautet: Weniger ist mehr“, so Zuliani. Wichtig sei jetzt nicht die Menge an Material, sondern die langfristige Planung. Lehrpersonen dürfen jetzt nicht in Präsenzzeiten denken, wie in der Schule, denn Distance Learning sei weitaus komplexer. „In der Bildungsforschung geht man hier von zwei verschiedenen Punkten aus: Handelt es sich um Bildung? - das heißt: Was kann ich hier an neuem Stoff vermitteln? Oder geht es um eine Lern-und Lehroptimierung? – das heißt: den Kindern Unterrichtsmaterialien zum Üben zur Verfügung zu stellen“, so Zuliani. Sie rate PädagogInnen, klare Arbeitsaufträge zu definieren und den Lehrstoff in kleinen Portionen zur Verfügung zu stellen. Auch die Abstimmung innerhalb des LehrerInnenkollegiums sei wichtig, damit man einen ungefähren Eindruck bekomme, was SchülerInnen schon alles zu erledigen hätten.
Die virtuelle Welt, der sogenannte 3. Raum, soll mit Leben gefüllt werden, ähnlich wie ein Klassenzimmer. Idealerweise gehen dabei alle Akteure miteinander in Kontakt - LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen, damit das Konstrukt „virtueller Unterricht“ eine Strukturierung bekommt, die für alle tragbar und erfüllbar ist.
Die gesellschaftliche Ungleichheit ist auch eine digitale
Nicht alle SchülerInnen sind zuhause mit den gleichen Mitteln ausgestattet - nicht jeder hat Zugriff auf Laptop, Internet und Drucker. Ein Problem, das laut Zuliani den Schulen durchaus bewusst ist. Es gäbe daher immer noch die Möglichkeit, in die Schulen zu kommen, die Bildungseinrichtungen seien nach wie vor geöffnet. „Eltern können etwa Arbeitsblätter abholen oder dringend benötigtes Material in den Schulen ausdrucken“, so Zuliani. Die gesellschaftliche Ungleichheit sei jedoch nicht nur bei der Ausstattung der Geräte zu spüren, sondern auch im Hinblick auf die Medienkompetenz. Auch hier sei die LehrerInnenschaft bemüht, mit den Eltern in Kontakt zu bleiben, offene Fragen zu beantworten und Unterstützung zu bieten, versichert Zuliani.
Erreichbarkeit von früh bis spät: eine Dauerbelastung für die PädagogInnen
Durch die Coronakrise und die Umstellung auf Home-Schooling sind viele Lehrkräfte derzeit von morgens bis spät abends erreichbar und stehen in ständigem Austausch mit SchülerInnen, Eltern und dem LehrerInnenkollegium. Das Anlegen von Accounts, die technische Bestückung virtueller Klassenräume, die Kommunikationen mit den SchülerInnen - das alles sei mit sehr viel Zeit und großem Aufwand verbunden, so Zuliani. Es gehe nicht nur darum, Dokumente und Übungsaufgaben hochzuladen, sondern den virtuellen Raum mit Leben zu füllen und den Austausch mit allen Beteiligten zu suchen. Auf Dauer sei die permanente Erreichbarkeit laut der Medienpädagogin jedoch nicht tragbar. Ihr Tipp für Lehrkräfte ist deshalb: „Legen Sie Zeiten für Ihre persönliche Erreichbarkeit fest. In diesen Zeiten seien Sie bemüht, für die Anliegen der Eltern und SchülerInnen da zu sein. Außerhalb dieser Zeiten jedoch, schalten Sie den Laptop aus und gönnen Sie sich Ruhepausen“. Denn Home-Schooling bedeute nicht permanente Erreichbarkeit, sondern gegenseitige Unterstützung, Zusammenhalt und vielfältiges Arbeiten.