Wie die rasche Schulöffnung in Dänemark gelang

Dänemark war europaweit das erste Land, das die Schulen bis zur 5. Schulstufe und Kindergärten geöffnet hat - dort wurde der Unterricht bereits am 15. April wieder aufgenommen. Der Schulentwicklungsberater Lars Clausen erzählt uns, was Dänemark daraus gelernt hat, wie sich die schnelle Öffnung auf die Ansteckungszahlen ausgewirkt hat und wie in Dänemark momentan unterrichtet wird.

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„3 Tage vor der Öffnung der Schulen hat man die erste Fassung von Instruktionen an die Schulleitungen geschickt und diese ist innerhalb von zwei Wochen 20mal revidiert worden“

In Dänemark durften die Jüngsten als erste wieder in die Schule

Aufgrund der hohen Erwerbstätigkeit der Dänen, insbesondere der Frauen (ca. 94 %), und um die Familien zu entlasten, war es der dänischen Regierung wichtig, die Schulen bis zur 5. Schulstufe sowie die Kindergärten unter strengen Auflagen als erstes wieder zu öffnen. Ein weiterer ausschlaggebender Grund war die Annahme, dass die kleineren Kinder unter dem Notunterricht bzw. Fernunterricht leiden würden. Lars Clausen sieht die schnelle Öffnung aber auch kritisch und meint, man hätte die Vorgehensweise der Regierung auch als "Probelauf" bzw. Experiment sehen können, um zu schauen, was bei Maßnahmen passiert, die noch nicht probiert worden sind.

Mittlerweile sind in Dänemark wieder alle schulischen Angebote (bis auf wenige Ausnahmen beim Studienbetrieb in den Universitäten) geöffnet, es besteht auch wieder Anwesenheitspflicht. Die schnelle Öffnung dürfte sich auch nicht auf die Neuinfektionsrate ausgewirkt haben. "Dafür gibt es viele Gründe, einer ist zum Beispiel, dass die Dänen das Gebot des Abstandhaltens und der guten Hygiene strikt eingehalten haben", so Clausen.

Am 11. März trat die Premierministerin Mette Frederiksen vor die Öffentlichkeit und kündigte den Lockdown an

Die Lehrkräfte hatten zwischen 1 und 2 Tage Zeit, um sich auf einen Fernunterricht vorzubereiten. Am 13. März wurde die gesetzliche Regelung für einen Notunterricht geschaffen, der sich nur in der Form des Unterrichts geändert hat - der Lernstoff blieb gleich und wurde weitergeführt - so als wären die SchülerInnen anwesend. "Dänemark hat seit Ende der 80er Jahre einen starken Digitalisierungsschub gehabt. Die SchülerInnen sind auch zuhasue connected, haben Tablets und Laptops und lernen mit digitalen Lernmaterialien", erzählt Clausen. 

"Mein Kind soll nicht Versuchskaninchen für Covid-19 sein!" 

Die rasche Schulöffnung hat aber auch zu skeptischen Reaktionen - vor allem bei vielen Eltern - geführt. So wurde beispielsweise eine Facebook-Gruppe gegründet, die fast 40.000 Mitglieder zählt. Auf die Frage, ob die Skepsis der Eltern immer noch präsent sei, meint Clausen: "Ja, sie ist immer noch da, hat sich aber verändert. Durch den Unterricht in kleineren Gruppen, mehr Bewegung und viel draußen sein, sind die SchülerInnen fröhlicher und haben weniger Konflikte.

Die Schulen seien eher schlecht auf die schnelle Öffnung vorbereitet worden: "Da ist man zu schnell vorgegangen. 3 Tage vor der Öffnung der Schulen hat man die erste Fassung von Instruktionen an die Schulleitungen geschickt und diese ist innerhalb von zwei Wochen 20mal revidiert worden. Darauf musste man sich immer neu einstellen. Zuerst gab es die Vorgabe von 2 Metern Distanz, dann waren es nur mehr 1,5 Meter, bald darauf durften die SchülerInnen nah beieinander sitzen, wenn sie in die gleiche Richtung schauten. Es gab sehr viele kleine Justierungen.", blickt Clausen zurück.

Positiv war, dass die Regierung sehr schnell Zugriffsberechtigungen für zielgerichtete Online-Lernmaterialien angekauft hat. Das hatte den Vorteil, dass sich die Schulen nicht mit Lizenzen beschäftigen mussten, was eine große Erleichterung darstellte. Auch Verlage haben Materialien frei zugänglich gemacht.

So sieht der Schulalltag derzeit in Dänemark aus

Die SchülerInnen dürfen 1 Meter entfernt voneinander sitzen und sich auch anfassen. "Alles muss ständig desinfiziert werden, das ist eigentlich die ganz große Einschränkung. In den meisten Schulen wurde eigens Personal eingestellt, die die Schulräume desinfizieren.", erzählt uns Clausen. Die Lehrkräfte müssen zu den SchülerInnen mindestens 2 Meter Abstand halten, können aber insgesamt normal unterrichten. Es ist auch wieder möglich, die Klassen als Gesamtklassen zu unterrichten anstelle der Aufteilung in Gruppen. Auch die Anwesenheitspflicht ist wieder hergestellt, das Recht auf Home-Schooling hat man dann, wenn man Covid-19 Symptome zeigt.

In Dänemark wird ein striktes, lernzielorientiertes Curriculum vorgegeben, das sehr detailliert Lernziele aufstellt. "Mein Wunsch wäre, dass die positiven Erfahrungen während Corona und die eingekrusteten Strukturen durchgeschüttelt werden und man sich wieder auf die SchülerInnen konzentriert anstelle des strikten Einhaltens des Curriculums. Mein zweiter Wunsch wäre, dass man die "Gefahr der Digitalisierung" reflexiv nochmal bewertet und schaut, ob es Möglichkeiten gibt für Home-Schooling z.B. bei Krankheit oder bei SchülerInnen mit besonderen Bedürfnissen. Wir haben es versucht, es funktioniert für die meisten, warum nicht damit weitermachen? Das wäre schön", meint Lars Clausen abschließend.

Zur Person: Lars Clausen ist Berater für Schulentwicklung und Inklusionsfragen an der UCL University College in Dänemark im öffentlichen Zentrum für Bildungs- und Lernressourcen (CFU) und Doktorand an der Europa – Universität Flensburg in Deutschland. CFU stellt den Schulen der Region und den LehramtsstudentInnjn eine Bibliothek von didaktischen Publikationen und Materialen kostenlos zur Verfügung, stellt den Vertrieb von kostenlosen eBooks sicher und erteilt Zugriff auf über 60.000 Stunden TV-Mitschnitten für SchülerInnen und Lehrkräfte zur freien Anwendung. Das CFU ist verpflichtet, Maßnahmen, die die Fortführung der didaktischen und pädagogischen Entwicklung der Volksschulen in Dänemark unterstützen, anzustoßen, zu begleiten und zu kommunizieren. Projekte und Kurse werden sowohl auf Anfrage von öffentlicher Hand geleistet, wie auch aus eigener Initiative im Zusammenhang mit Ausschreibungen und Erasmus+ Programmitteln finanziert.